Viele Menschen lernen früh still zu sein. Still in der Schule sitzen und zuhören, still die Wut in sich hineinfressen, weil der Streit sonst weiter eskalieren würde, still trauern, weil man die anderen nicht belasten möchte. Jeder macht andere Erfahrungen, aber bei vielen kommt dasselbe dabei raus: es ist unangenehm vor anderen zu weinen oder starke Gefühle zu zeigen, für sich selbst einstehen fühlt sich egoistisch an und laut zu sein oder im Mittelpunkt zu stehen, macht Angst. Nicht jeder Mensch teilt diese Erfahrung, aber leider sind es oft diejenigen, mit interessanten und wichtigen Gedankengängen, die sie doch lieber einmal mehr für sich behalten. Es fällt mir erst jetzt auf, wo jemand vor mir starke Schmerzen hat, weil er es nicht schafft seine Trauer frei herauszulassen, dass ich dieses Gefühl so gut kenne. Erst jetzt fällt mir auf, wie oft ich meine Gefühle herunterschlucke, weil ich keine komischen, lauten Geräusche beim Weinen machen will, weil es mir wichtiger ist, was andere Menschen über mich denken könnten, als wie es mir tief drinnen wirklich geht. Genau das ist der Grund, warum ich meinem Bedürfnis, welches ich seit Wochen der Überforderung, Trauer und Wut habe, nicht nachkommen konnte – einfach mal richtig laut schreien. Ich konnte das nicht, weil es jemand hören könnte, und was würde derjenige dann bloß von mir denken. So oft war mir die Meinung Anderer und meine Außenwirkung ganz unbewusst wichtiger, als für mich und meine Gefühle einzustehen. Deswegen habe ich zugelassen, dass mir Unrecht getan wird und mir eingeredet, dass das gar nicht so schlimm ist, und ich nur mal wieder übertreibe. So oft habe ich Gefühle heruntergeschluckt und Dinge getan, die ich nicht tun möchte – einfach automatisch, weil ich es so gelernt habe.
Das hört auf.
Ich möchte so laut ich kann weinen, vor Freude kreischen und lachen, meine Meinung sagen und zu ihr stehen, Ungerechtigkeit ansprechen, wenn sie mir oder anderen widerfährt und mir den Raum nehmen, den ich auch jedem anderen Menschen gönne. Jedes einzelne meiner Gefühle ist richtig und wichtig. Jedes einzelne meiner Gefühle darf da sein und darf intensiv gefühlt werden und dann dürfen sie auch wieder weiterziehen, damit sich in mir ein Gleichgewicht einstellen kann.